Das Geheimnis von Luxus Juwelierskunst von Wellendorff

Entscheidend ist nicht allein, was man sieht, sondern auch, was man spürt — seidige Beweglichkeit. Es gilt, die Wünsche anspruchsvoller, internationaler Kunden zu erfüllen und dabei die Grenzen des Machbaren zu verschieben, zu beantworten, was Luxus ist und sein kann.
 
Im Mittelpunkt stehen große Gefühle: mit Schmuck Liebe und Verbundenheit auszudrücken, dauerhaft Freude zu schenken und bleibende Werte zu erschaffen — ein Versprechen, das stetig eingelöst sein will. Die Aufgabe, das Beste zu geben, begründet die Familientradition des Unternehmens und den Mythos von Wellendorff, seit 1893 Ernst Alexander Wellendorff erstmals seinen Schmuck dem Hochadel präsentierte, der in Baden-Baden zur Sommerfrische residierte.
 
Der Tragekomfort – die Herausforderung beim Schmuckschaffen — wird zum eigenen sinnlichen Erlebnis, wenn die Goldkordel um den Hals gleitet, der Armreif um das Handgelenk schwingt oder sich der Ring funkelnd dreht. Neue Schmuckkreationen unterliegen dem strengen Urteil der Ehefrauen in der Familie Wellendorff, und nun in fünfter Generation auch der Töchter, als ersten Testerinnen. Sie arbeiten alle aktiv im Unternehmen mit und geben vor, welche Anforderungen Schmuck zu erfüllen hat. Unkompliziert soll er sein, perfekt anliegen und die Trägerin, den Träger, den ganzen Tag und zu jedem Anlass begleiten, ohne zu zwicken oder zu verfangen. Das Ergebnis ist »Schmuck, den man mit verbundenen Augen erkennen kann«, wie Eva Wellendorff betont. Die hochartifiziellen Entwicklungen dahinter reichen in metallurgische Ebenen und bleiben das bestgehütete Geheimnis des Unternehmens. Die exzeptionelle Geschmeidigkeit und Farbigkeit des Schmucks von Wellendorff entfalten Eleganz, Raffinement und eine geradezu natürliche Anmut.
 
Von jeher ist die Natur Lehrmeisterin der Künste, Quelle der Inspiration und Referenz für Stimmigkeit. In der Sonderausstellung »Das Geheimnis von Luxus« werden Evolutionsprozesse der Natur mit denen der Produktentwicklung assoziiert. Diese benötigen Zeit, um zu reifen. Es sind aufwendige Prozesse des stetigen Optimierens — über Generationen hinweg. Wellendorff erreicht dabei einen Grad an Perfektion, der sich erst mit der Lupe des Juwelengoldschmieds vollständig erfassen lässt. Bis ein Handgriff virtuos sitzt, braucht es enorm viel Übung. Die Bewegung schreibt sich ein in den Körper, wird eins mit dem geführten Werkzeug.
 
Es erfordert experimentelle Erforschung und Beherrschung der Materialeigenschaften sowie nuanciertes Ausbalancieren von Farben und Formen, um zu einer harmonischen Einheit zu gelangen. Kunst, Wissenschaft und Technik sind untrennbar miteinander verknüpft. Statt auf seelenlose Massenproduktion und schnelllebige Moden setzt Wellendorff auf Beständigkeit, zeitlose Ästhetik und eine eigene Markenidentität.
 
Der Humus, auf dem das Unternehmen gedeihen konnte, ist geprägt von der Naturregion des Schwarzwaldes und historisch verwurzelt in der Pforzheimer Schmuckindustrie mit ihrer Infrastruktur aus hochspezialisierten Kräften und Produktionsstätten der Edelmetallverarbeitung. Ihre Anfänge reichen in das Jahr 1767 zurück als der Markgraf Karl Friedrich von Baden Entrepreneure aus der Schweiz und Frankreich das Privileg erteilte, im Waisenhaus eine Uhren- und später auch eine Schmuckmanufaktur zu etablieren. 1877 wurde die Großherzogliche Kunstgewerbeschule gegründet, die auch Ernst Alexander Wellendorff mit Auszeichnung absolvierte. Aus ihr gingen später die nach wie vor renommierte Goldschmiedeschule mit Uhrmacherschule und die heutige Fakultät für Gestaltung an der Hochschule Pforzheim hervor.
 
Mit der Industrialisierung kam es zu wirtschaftlicher Prosperität und sozialen Umbrüchen. Luxus, der zuvor nur der Oberschicht vorbehalten war, wurde auch für das aufstrebende Bürgertum erschwinglich. In den Metropolen entstanden Luxuskaufhäuser, die Flaneuren rauschhaften Überfluss offerierten. Pforzheim stieg zum Zentrum der deutschen Schmuckindustrie auf, die international exportierte und erfolgreich an den großen Weltausstellungen teilnahm. Auch heute noch stammen 80 Prozent des in Deutschland hergestellten Schmucks aus Pforzheim. Darüber hinaus erwuchsen im 20. Jahrhundert zusätzlich neue Branchen der (Edel-)Metallverarbeitung in Bereichen der Medizin-, Automobil-, Elektro- und Oberflächentechnik, die heute ein Höchstmaß an Präzision erfordern.
 
Das Schmuckmuseum ist zur Ornamenta 2024 zum »Inhalatorium« auserkoren worden. Es fokussiert auf die »Schwarzwaldluft«, die sich in dieser einzigartigen Natur- und Kulturlandschaft anreichert — ein Luxus, der die Region damals wie heute zur beliebten touristischen Destination macht. Der Zeitpunkt könnte nicht passender sein, Highlights der Wellendorff-Manufaktur eine Einzelausstellung im Schmuckmuseum zu widmen. Die atmosphärische Inszenierung evoziert subtil-multimedial hiesige landschaftliche Impressionen, vermittelt visuell und klanglich einen Hauch von Sommerfrische und fragt nach der Essenz, die die Juwelierskunst von Wellendorff ausmacht. Im Zentrum steht die längste Goldkordel der Welt, die in einer 19 Meter langen Vitrine gleichsam einen Horizont beschreibt. Alle Sinne werden angesprochen. Den Besuchern wird exklusiv ermöglicht, eine Goldkordel haptisch zu erleben. Zu Wort kommen die Familienmitglieder selbst, die Mitarbeiter des Unternehmens sowie Kunden und Liebhaber ihres Schmucks. Sie erzählen von ihren Intentionen und geben spannende Einsichten. Die Besucher sind eingeladen, in diese Welt einzutauchen, den Esprit einzuatmen und dem Geheimnis von Luxus nachzuspüren.

5. Juli bis 29. September 2024

Eintritt 10 €, ermäßigt 8,50 €, Kombiticket Dauer-/Sonderausstellung 12,50 €
 
TLR: Fünftausend Jahre Schmuckgeschichte, von der Antike bis zur Gegenwart: Was macht das Schmuckmuseum Pforzheim in Ihren Augen so besonders?

HZ: Wir sind tatsächlich weltweit das einzige Museum in öffentlicher Hand, das sich ausschließlich dem Schmuck und seiner Geschichte widmet. Dementsprechend umfangreich sind auch unsere Sammlungen, sie umfassen tausende historischer und moderner Schmuckstücke: Originale von der Ur- und Frühgeschichte bis zu zeitgenössischen Arbeiten. Neben ethnografischem Schmuck zeigen wir außerdem eine bedeutende Ring- sowie eine Taschenuhrensammlung. Ich denke, diese Vielfalt, die Besucherinnen und Besucher jeden Alters mit auf eine Reise durch die Menschheitsgeschichte nimmt, macht unser Haus mit seinen unterschiedlichen Ausstellungsformaten letztlich so einzigartig.
 
TLR: Sie zeigen eine große Bandbreite an Epochen, Stilen und Fertigungstechniken, sprechen dabei ganz unterschiedliche Besuchergruppen an und arbeiten auch mit experimentellen Ausstellungskonzepten. Welche Schwerpunkte haben Sie im vergangenen Jahr gesetzt?

HZ: Uns liegt daran, Schmuckkunst in all ihren Facetten zu zeigen – und zwar für Kinder und Neuinteressierte ebenso wie für unser langjähriges Publikum. Deshalb erarbeiten wir immer wieder aufs Neue ein Ausstellungsprogramm, das Kulturen, Zeiten und Kontinente in einen Dialog treten lässt. In unserer Dauerausstellung »Was ist Schmuck?« bringen wir eine private ethnografische Schmucksammlung mit unseren Sammlungsbeständen zusammen. Durch eine solche Kombination der Exponate wird eine kultur-, länder- und epochenübergreifende Annäherung an das Phänomen des Schmückens möglich.

Außerdem liegt uns die Förderung junger Schmuckschaffender am Herzen. So hat unsere Sonderausstellung »Pforzheim revisited Berlin« bis Anfang letzten Jahres für Alumni des Studiengangs Schmuck der Hochschule Pforzheim ein spannendes Experimentierfeld eröffnet, das traditionelle Fertigungstechniken mit modernem Design verband. Mit unserer Schau »Kairos« zu den Arbeiten von Margit Jäschke haben wir dann bis zum Frühjahr eine Künstlerin in den Fokus gerückt, die sich selbst als Wanderin zwischen den Kunstwelten bezeichnet: Jenseits der üblichen Grenzen von Installation, Malerei, Skulptur und Schmuckkunst hat sie ein ganz eigenständiges Werk geschaffen. Den Sommer über hat die Ausstellung »Von der Reise- und Sammellust« mit ihrem ethnografischen Schmuck von der Faszination der Welterkundung, von den Menschen vor Ort und vom Phänomen Schmuck erzählt. Neben dem Blick in die Welt interessiert uns gleichermaßen der Austausch mit den Manufakturen hier vor Ort. Wo werden in der Goldstadt Pforzheim Innovationen geschaffen und Juwelierskünste modern interpretiert? Anlässlich seines 130-jährigen Jubiläums gab es im Rahmen einer Ausstellungsintervention 13 Preziosen des Familienunternehmens Wellendorff in unserer historischen Sammlung zu entdecken. Bis über das Jahresende hinaus machte unsere Schau »Auf Abwegen« Schmuck, Gerät und Objekte von 29 Künstlerinnen und Künstlern erlebbar, die übliche Sichtweisen in Frage stellen und mit dem Kanon ihrer eigenen Disziplin brechen. 
 
TLR: Auch in diesem Jahr setzen Sie Ihre Vision einer möglichst umfassenden Perspektive auf das Phänomen Schmuck fort, indem Sie ein ganzes Panorama an Schmucktechniken und künstlerischen Positionen zeigen. Auf welche Formate dürfen sich Ihre Besucherinnen und Besucher freuen?
 
HZ: In wenigen Wochen, Ende Februar, starten wir direkt mit einer neuen Sonderausstellung ins Jahr 2024. Unter dem Titel »Gabi Dziuba & Friends« werfen wir erstmals einen Blick auf die rund 40-jährige Schaffensphase der Künstlerin: Ihre Form- und Materialexperimente sind rigoros, locker, spröde-minimalistisch, glamourös, funkelnd und progressiv. Freundschaften haben fundamentalen Einfluss auf ihre künstlerische Arbeit, etwa die mit Günther Förg. So zeigt die Ausstellung neben Schmuck von Gabi Dziuba auch Schmuckstücke, die in Kooperation mit befreundeten bildenden Künstlern und Künstlerinnen entstanden sind und zudem eine repräsentative Auswahl derer Werke. Ab Juli folgt dann unter dem Titel »Das Geheimnis von Luxus – Juwelierskunst von Wellendorff« der Blick in eines der traditionsreichsten Pforzheimer Familienunternehmen. Die atmosphärisch inszenierte Ausstellung fragt nach der Essenz, die die Juwelierskunst von Wellendorff ausmacht und lädt unser Publikum ein, in diese Welt einzutauchen und dem Geheimnis von Luxus nachzuspüren.
 
TLR: Von Juli bis September wird die ORNAMENTA 2024 zahlreiche Gäste mit thematischen Ausstellungen, Dauerinstallationen, Performances, Galas, Symposien und Gemeinschaftsevents in die Region Nordschwarzwald ziehen. Wie beteiligt sich das Schmuckmuseum an diesem Projekt?

HZ: Natürlich liegt unser ganz besonderes Augenmerk dieses Jahr auf der ORNAMENTA 2024 als großem Kunst- und Kulturprogramm, das die gesamte Region Nordschwarzwald in einen künstlerischen Austausch bringen wird. Dafür stellen wir dem Ornamenta-Team beispielsweise unsere Museumsräume für verschiedenste Aktivitäten zur Verfügung. Wir beteiligen uns aber genauso aktiv mit eigenen Formaten: Zusammen mit unserem engagierten Förderverein ISSP und der vom Kuratorenteam gewonnen Künstlerin Yvonne Dröge Wendel freuen wir uns auf das interaktive »Black Ball«-Projekt. Von Juli bis September rollt eine riesige, übermannshohe Kugel im öffentlichen Raum – doch sie muss erst einmal angefertigt und gefilzt werden – und das wird, hoffentlich mit zahlreichen Interessierten, bei uns im Schmuckmuseum passieren! Unter dem Motto »Ausgeräumt – das Schmuckmuseum lädt ein« präsentieren wir außerdem zwei Ausstellungen, die inhaltlich auf die Themen der Ornamenta gemünzt sind – eine mit partizipativem Ansatz und eine weitere mit individuellen Künstlerpositionen.

Uns steht also ein spannendes Jahr bevor, das Schmuckkunst in ihrem ganzen Reichtum erlebbar macht!

www.schmuckmuseum.de/en/